01 – D’Obel

Sie gilt bis heute als eine der schicksalsträchtigsten Nächte an der Schwertmeerküste. Ein unbedeutender Abend, der zwei Reisende in einer vor Langeweile strotzenden Dorfkneipe zusammenführt und den Grundstein für viele weitere Abenteuer gelegt hat.

Ildonno, auf der Reise um ein wenig Abstand vom Alltag auf seinem Schloß zu bekommen und Olek, ein Mensch der sich bis heute für einen Elfen hält, sind unabhängig voneinander im örtlichen Gasthaus in D’Obel eingekehrt, um eine Nacht Rast einzulegen. Die beschwerliche Reise hat sich in ihren Knochen ausgebreitet und der Duft der hiesigen Speisen, wenn auch von karger Natur, hat sie überzeugt eine Münze zu investieren und die Vorzüge eines Bettes zu genießen. Bevor sie sich jedoch in eben dieses begeben, tauchen sie ein in das Dorfleben. Wie zu so später Stunde üblich, führt es sie in die Kneipe, welche sich im Erdgeschoß des Gasthofes befindet. Olek hat bereits Platz genommen und sitzt mit einem lokal gebrauten Bier an einem noch freien Tisch, als Ildonno den gut gefüllten Raum betritt. Dieser hat zuvor an der Rezeption eine Karte der Umgebung ergattern können und erkennt an dem im Revers steckenden Duplikat von Olek, dass es sich ebenfalls um einen Reisenden handelt. Schnell schließen die Beiden Bekanntschaft, nicht jedoch ohne zu erkennen, dass sie nicht gänzlich auf der gleichen Wellenlänge schwimmen.

Für Ildonno befremdlich schmeckendes Bier wird von dem Barmann großzügig ausgeschenkt. Jeder Tropfen genauestens im großen in Leder gebundenen Schuldenbuch eingetragen. Die Ernten und der Fischfang stagnieren schon lange, so das Reichtümer bisher einen Umweg um das Dorf zu machen scheinen. Zu allem Übel scheint auch der Handel langsam aber sicher zum Erliegen zu kommen. Waren, die sich auf den Pfaden rund um D’Obel bewegen verschwinden immer häufiger. Die Gegend scheint unsicher zu sein, Ein Glück, dass die beiden Reisenden unbehelligt angekommen sind.

Ein Gespräch mit einem Bauern, der ungehalten an den Tresen gestürmt kommt, bleibt nicht im Verborgenen. Wieder einmal ist eine seiner beiden Ziegen auf das verbotene Territorium entwischt. Eine seiner anderen Beiden Ziegen, und er macht keinen Hehl daraus, dass er hiermit seine Tochter und Frau meint, hat vermutlich das Gehege offen gelassen. Vermaledeiet Biester. Die Wut in Bier ertränkend, berichtet er von der Legende, die D’Obel und seine Bewohner seit zweihundertdreiundachtigeindrittel Jahren in ihrem Bann gefangen hält. Damals ist ein junger Fischer nicht von See zurückgekehrt. Seine schwangere Verlobte konnte die Qualen und Ungewissheit nicht mehr ertragen und ist mitten in der Nacht in das Watt gewandert, wo sie kläglich ertrunken ist. Das ungeborene Leben mit in das Verderben nehmend. Seit eben diesem Tag fürchtet ganz D’Obel das Gebiet um den alten Leuchtturm. Denn genau hier ist sie immer wieder gesehen worden. Mit wallenden weißen Kleidern und gellendem Schrei sorgt sie für Unmut und Angst in der Bevölkerung des ärmlichen Dorfes. Man hatte gehofft, dass sie sich irgendwann zurückzieht. Jedoch erschient sie in der letzten Zeit wieder vermehrt und es macht sich Unruhe unter den Dorfbewohnern breit.

Olek und Ildonno riechen eine satte Belohnung, den Wohlwollen der Bevölkerung oder haben sich ganz einfach verhört und glauben, dass die tierische Ziege noch immer nicht zurückgekehrt ist. Jedenfalls versprechen sie, nach etlichen Bier, dem Bauern zu helfen. Sie wollen bei Tagesanbruch zum Frühstück beim Ziegenbauern vorbeischauen, schließlich soll das Omelett seiner Frau genießbar sein.

Voller Ungeduld, erliegen die beiden frisch gebackenen Abenteurer jedoch vorschnell der Sehnsucht nach Erkundung und begeben sich bereits, kurz nachdem der Bauer seinen Durst gestillt hat, auf die düsteren und leeren Straßen D’Obels. Trotz Karte streifen sie etwas ziellos umher. Ihr Anhaltspunkt, eine Frau, die über den örtlichen Pfarrer Bücher für die Tochter des Ziegenbauern liefert, schient wage. Er reicht den Beiden jedoch, um der Kirche einen Besuch abzustatten. Just als Olek sich entschließt eine der auf dem dürftigen Altar angeordneten Kerzen einzustecken, werden sie vom Pfarrer überrascht. Das von Ildonno stets gehegte und verehrte Füßchen mit Kräuterbier aus seiner Heimat wird eben diesem als Kräutertrank ohne alkoholische Wirkung verkauft. Für den Moment scheint die Situation gerettet zu sein. Der fromme Mann zieht sich in seine Gemächer zurück, den Krug mit Bier vor sich hertragend. Der Diebstahl schient vergessen. Allerdings ist diese Handlung schicksalsträchtiger als man glauben mag.

Mitnichten stillt die erbeutete Kerze Oleks Wunsch die noch leeren Fächer in seinem Rucksack zu füllen. Und so begibt man sich zum örtlichen Händler. Irrtümlicherweise geht man davon aus, dass dieser geschlossen hat und schlägt die Scheibe der Ladentür ein. Nicht jedoch ohne Verletzungen davonzutragen Vom Lärm aufgeschreckt begibt sich der recht schnell sprechende Händler in den Verkaufsraum. Statt Gewinn wird er jedoch über beide Ohren gehauen und nach reichlicher Diskussion ist er nicht nur davon überzeugt, dass die Dorfjugend ihm mal wieder seine Scheibe eingeworfen hat, sondern beschenkt unseren Helden gegen eine minimale, gar lächerliche Summe reichlich. Mit neuem Köcher, reichlich Pfeilen, einem wundervollen Bogen. Frischer Kleidung und einem Gratis-Lappen um die Blutung an der Hand zu stellen ist man nun bestens gerüstet.

Mit der Kerze und den frisch erbeuteten Gütern in Händen begibt man sich erneut auf die dunklen Dorfstraßen. Erneut allen Hinweisen auf die örtliche Heilerin zum Trotz findet man sich alsbald am Ziegengehege ein. In aller Dunkelheit, nur im Schein einer kleinen Kerze liest die Tochter des Ziegenbauern hier in ihren Büchern. Wohlwissend, dass man im Dorf für gewöhnlich Lesen weit unter die Pracht des Arbeitens stellt. Ein aufwallender Flirt zwischen Olek und dem Mädchen wird altersbedingt schnell im keim erstickt. Dennoch wechselt die Kerze den Besitzer und erhellt fortan die Lektüre des Mädchens. Sie teilt unseren Helden nochmals die traditionelle Geschichte der verlorenen Maid mit und zeigt den Zugang zum verbotenen Terrain. Aber dies ist die nächste Episode.

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